Festliche Jause nach Anna Strobl, Wien ~1920

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Letzte Woche fand in unserer Küche endlich wieder einmal eine kulinarische Zeitreise statt. Dafür reiste unser Handarbeitskränzchen kulinarisch - und natürlich auch modisch 😉 - um 100 Jahre zurück und genoss einen Nachmittagstee anno 1924. 
Das passende Menü dafür stammte aus dem Kochbuch "Die praktische Wiener Küche" von Anna Strobl1. Neben zahlreichen Menüvorschlägen durchs Jahr und einem ausführlichen Kapitel über die "Kunst des Tafeldeckens" findet man in dem Kochbuch von ca. 1920 auch einige wunderschöne Art Déco Menükarten für festliche Anlässe, unter anderem auch eines für die "festliche Jause oder Vesper", die ich für unseren Nachmittagstee verwendet habe, mit folgenden Gerichten:
  • Thee mit Rum und Schlagobers
  • Sandwichs
  • Salzstangerln
  • Geräucherter Lachs mit Citronen und Senf
  • Kalte Galantine vom Huhn
  • Gesulzter Hasenrücken
  • Cremekrapferln
  • Chocoladetortelettes
  • Obst
  • Gefrorenes mit Obersschaum




Bei der Zubereitung der einzelnen Gerichte musste ich manchmal andere Kochbücher dazuholen, immerhin fehlten in Anna Strobls Kochbuch manche Rezepte gänzlich oder waren nur als ungenaue "Anleitung" zu finden: Marie von Roktiansky (Die Österreichische Küche, Wien 19182) und - natürlich - Katharina Prato (Die Süddeutsche Küche, Graz 18973). 

So auch bei der Suche nach einem passenden Aperitif für unseren Nachmittagstee. Anna Strobl zeigt in ihrem Kochbuch zwar einige Getränke, so richtig gefiel mir aber nichts davon. Anders im Buch von Marie von Rokitansky, die neben den üblichen Getränken auch eine schöne Sammlung an Likör-Rezepten hat, unter anderem sogar ein Rezept für "Limoncello-Liqueur4"! 
Zur Geschichte des beliebten Zitronenlikörs gibt es einige Legenden und mehrere Regionen und Städte beanspruchen den "Ursprung" für sich. Bestätigt ist aber nur, dass Limoncello oder auch Limoncino sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch außerhalb von Amalfi, Capri, Sorrent und Sizilien schnell wachsender Beliebtheit erfreute. 
Und auch wenn es verlockend klang, Marie von Rokitanskys Likörrezept auszuprobieren, so habe ich mich dann doch für einen fertigen Limoncello entschieden. Immerhin käme kein selbstgemachter Likör mit Zitronen aus dem Supermarkt an den herrlichen Limoncello von Cavolobianco ran. Dieser schmeckt wie Urlaub in der Flasche 💛 




Thee mit Rum und Schlagobers

"Man gibt zu Thee nebst Zucker etwas gutes kaltes Obers und 1 Kaffeelöffel Rum (für 1 Tasse), wodurch er weniger aufregt, als ohne Rum [...]5




Sandwiches

In Anna Strobls Kochbuch findet man zwei Arten von Sandwiches6: "Echt englische" und "Deutsche Art". Bei ersteren werden "Toastschnitten" belegt und schließlich zusammengesetzt, also das, was wir auch als Sandwiches kennen. Bei den Sandwiches nach Deutscher Art werden die Weißbrotscheiben belegt wie bei den Sandwiches und dann eben nicht zusammengesetzt. Also belegte Brötchen mit "Zunge, Schinken, beliebigem Braten, Gansleber oder Leberhache, auch mit gehackten Eidottern und mit dem Eiweiß von hart gekochten Eiern, Sardinen, ec."




Salzstangerln

Anna Strobl gibt in ihrem Menü zwar Salzstangerl an, ein passendes Rezept findet man in ihrem Buch allerdings nicht. Also holte ich mir Rat bei Marie von Rokitansky und wurde fündig, auch wenn der Teig mich doch sehr überrascht hat: Es gibt Germteig. Es gibt reichhaltigeren Brioche-Teig. Und dann gibt es den Salzstangerl-Teig nach Rokitansky. Mehr Butter ist nicht möglich! Aber: der Teig ging tatsächlich auf, die Salzstangerl wurden flaumig, schmeckten wie eine Mischung aus Germteig und Mürbteig und extra Butter braucht man auch nicht mehr auf den Tisch zu stellen 😅 

15 g Germ
4 EL warme Milch

280 g Mehl
1 Ei
1 Dotter
110 g geschmolzene Butter

1 Eiklar zum Bestreichen
Grobes Salz und Kümmel zum Bestreuen

Germ in warme Milch verbröseln und mit etwas vom Mehl glatt rühren. Mit etwas Mehl bestreuen und an einem warmen Ort zugedeckt gehen lassen. Dieses Dampfl mit Mehl, Ei, Dotter und geschmolzener Butter zu einem glatten Teig abschlagen. Mit einem Geschirrtuch abdecken und an einem warmen Ort gehen lassen.
Backblech mit Backpapier auslegen. Teig in 8 Teile teilen, diese glatt schleifen, zu einem dünnen Strang rollen und auf das vorbereitete Blech legen. Zudecken und nochmals kurz gehen lassen. 
Mit Eiklar bestreichen, mit Salz und Kümmel bestreuen und bei 200°C etwa 12 Minuten goldbraun backen.




Geräucherter Lachs mit Citronen und Senf

mit geräuchertem Lachs von Kulmer Fisch aus Birkfeld und Orangen-Dill Senf von der Lukashof Genussmanufaktur in Stainz.




Kalte Galantine vom Huhn

Anna Strobl hat in ihrem Kochbuch zwar eine Anleitung, wie man "Haus- und Wildgeflügel" für eine kalte Galantine vorbereitet, ein genaueres Rezept für die Füllung fehlt allerdings. Daher nahm ich dafür wieder Marie von Rokitansky zu Hilfe und bereitete ihr Rezept für "Galantine oder Geflügelwurst" zu. Diese am besten einen Tag vor dem Servieren zubereiten!

2 EL Öl
80 g rote Zwiebel
60 g Speck
500 g Hühner- oder Putenfaschiertes

40 g Speck
50 g Schinken
40 g Pistazien
40 g Pinienkerne
2 Eier
Salz, Pfeffer

6 große Hühnerschnitzel

Frischhaltefolie
Kochbindfaden

1 Bund Suppengrün

Zwiebel fein schneiden und in Öl anschwitzen. Speck klein schneiden und kurz mitrösten. Auskühlen lassen. In der Küchenmaschine mit Faschiertem möglich fein passieren. 
Speck und Schinken kleinwürfelig schneiden. Pistazien und Pinienkerne fein hacken. Speck, Schinken, Pistazien, Pinienkerne und Eier mit dem Faschierten vermengen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. 
Hühnerschnitzel vorsichtig möglichst dünn und groß klopfen. Ein großes Stück Frischhaltefolie damit auslegen. Farce mittig daraufstreichen und alles eng einrollen. Diese Rolle in den Tiefkühler legen, bis die äußere Schicht angefroren ist, dann die Frischhaltefolie entfernen und mit dem Kochbindfaden gut einschnüren. 
In einem großen Topf Wasser mit geputztem Suppengrün aufkochen. Geflügelrolle vorsichtig einlegen und schwach kochend etwa 1 1/2 Stunden kochen. In der Brühe auskühlen lassen. Aus der Suppe heben und in den Kühlschrank legen. Am nächsten Tag in dünne Scheiben schneiden.




Cremekrapferln

Das "Rezept" von Anna Strobl läßt recht viel Spielraum: "Von Biscuitteig läßt man kleine runde Formen backen, nimmt das Weiche heraus und füllt sie, erkaltet, gehäuft mit kalter Creme an, die man mit Hagelzucker und Mandeln bestreut.7" Mit der Creme "Obersschaum mit Beeren8" wurden daraus hübsche kleine Erdbeer-Krapferln ❤

6 Eiklar
1 Prise Salz

6 Dotter
100 g Staubzucker
1 Packerl Vanillezucker
120 g Mehl

3 Blatt Gelatine
150 g Erdbeeren
30 g Kristallzucker
125 ml Schlagobers

Mandelblättchen und Hagelzucker zum Bestreuen

Backrohr auf 200°C vorheizen. Backblech mit Backpapier auslegen. Eiklar mit Salz steifschlagen. Abwechselnd Dotter, Staubzucker und Vanillezucker und zuletzt das Mehl unterheben. Biskuitteig nicht zu dünn aufs Backblech streichen und bei 200°C etwa 10-12 Minuten goldbraun backen. Auskühlen lassen.
Aus dem Biskuit runde Formen ausstechen und etwas vom Teig aus der Mitte schaben, damit man dort Creme einfüllen kann. Alternativ kann man auch je zwei Biskuitscheiben aufeinandersetzen und vom obersten einen runden Mittelteil ausstechen.
Gelatine in kaltem Wasser einweichen. Erdbeeren vierteln und mit Kristallzucker pürieren. Schlagobers steifschlagen. Erdbeermus unterheben. Gelatine ausdrücken und unter ständigem Rühren erhitzen bis sich die Gelatine vollständig aufgelöst hat. Kurz auskühlen lassen und rasch unter die Creme rühren. 
Creme in die Biskuittörtchen füllen und die Krapferln für einige Stunden in den Kühlschrank stellen.
Mandelblättchen im Backrohr leicht bräunen und auskühlen lassen. Cremekrapferln mit Mandeln und Hagelzucker bestreuen.




Chocoladetortelettes

Diese Bäckereien unbedingt schon einen Tag zuvor machen, sie schmecken tags darauf gleich nochmal so gut. Die kleinen Tortelettes machen ihrem Namen übrigens alle Ehre: darin finden sich 4 Tafeln Schokolade! 

190 g Mehl
140 g Butter
200 g geriebene Schokolade
70 g Staubzucker
1 Dotter

200 g Schokolade
1 Tasse Milch
2 EL Staubzucker
1 EL Mehl
1 Ei
2 Dotter

Backrohr auf 200°C vorheizen. Backblech mit Backpapier auslegen. Butter im Mehl verbröseln. Geriebene Schokolade, Staubzucker und Dotter zugeben und rasch zu einem glatten Teig verkneten. Für 30 Minuten im Kühlschrank rasten lassen. 
Teig messerrückendick ausrollen, runde Formen ausstechen und auf die vorbereiteten Bleche legen. Bei 200°C ca. 8 Minuten nicht zu dunkel backen. Auskühlen lassen.
Schokolade schmelzen. Mit Milch, Staubzucker, Mehl, Ei und Dotter verquirlen und unter ständigem Rühren erhitzen und eindicken lassen. Creme auskühlen lassen. Je zwei Schokokekse mit der Creme zusammensetzen und für mehrere Stunden stehen lassen. 




Obst und Gefrorenes mit Obersschaum

Zu guter Letzt noch eine hübsche Etagere mit verschiedenem Obst in der Tischmitte. Und für jede noch ein Kugerl Vanilleeis mit Obersschaum. Damit war unser Menü komplett und die Mägen gut gefüllt 😉




Vielen lieben Dank an meine Damen vom Handarbeitskränzchen für die Experimentierlaune und den gemütlichen Ausflug in die 1920er ❤ und an Cavolobianco für den herrlichen Aperitif! 




1Anna Strobl: Die praktische Wiener Küche. Universal-Kochbuch für den besseren Bürgerstand. Eine vollständige Sammlung von erprobten Kochrecepten für den einfachsten wie für den reichsten Haushalt. Anleitung zur Erlernung des Kochens und Servirens, zur Bereitung von Dunstobst und Getränken nebst einem Küchenzettel für alle Tage des Jahres", Josef Rubinsteins Verlag, Wien-Leipzig, ohne Jahresangabe ca. 1920 (weitere Infos und Rezepte findet ihr hier
2Marie von Rokitansky: "Die Österreichische Küche. Eine Sammlung selbsterprobter Kochrezepte für den einfachsten und den feinsten Haushalt nebst Anleitungen zur Erlernung der Kochkunst", A. Edlinger´s Verlag, Wien 1918
3Katharina Prato (Edle von Scheiger): "Die Süddeutsche Küche auf ihrem gegenwärtigen Standpunkte mit Berücksichtigung des Thees und einem Anhange über das moderne Servieren nach metrischem Maß und Gewicht berechnet für Anfängerinnen sowie für praktische Köchinnen", 20. neu bearbeitete und vermehrte Auflage. Verlags-Buchhandlung Styria, Graz 1889 (weitere Infos und nachgekochte Rezepte findet ihr hier), 
4Marie von Rokitansky: Limoncello-Liqueur, Seite 550
5Katharina Prato: Thee, Seite 562 
6Anna Strobl: Sandwichs, Seiten 25-26
7Anna Strobl: Cremekräpfchen kalt, Seite 248
8 Anna Strobl: Obersschaum mit verschiedenen Zuthaten. Mit Beeren, Seite 86

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